Im Rahmen der Verteidigung gegen Schutzrechtsverletzungen ist die einstweilige Verfügung eines der zentralen Instrumente, um einen Unterlassungsanspruch schnell und effektiv zu sichern. Sie wirkt jedoch nur vorläufig, sodass bei weitergehenden Ansprüchen, wie Schadensersatzforderungen, ergänzend oder im Nachgang eine Hauptsacheklage erforderlich ist.
Eine zentrale Rolle bei der Beantragung einer einstweiligen Verfügung spielt die Dringlichkeitsvermutung. Diese ermöglicht es in bestimmten Fällen, einstweilige Verfügungen zu beantragen, ohne die Dringlichkeit gesondert darlegen zu müssen. Die Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn der Antragsteller beispielsweise zu lange untätig bleibt oder durch sein Verhalten die Eilbedürftigkeit infrage stellt. Typische Beispiele hierfür sind:
- Ein längeres Zuwarten zwischen der Kenntnis des Verstoßes und der Abmahnung,
- Großzügige Fristen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung,
- Fristverlängerungen oder Verzögerungen zwischen dem Fristablauf und der Beantragung der einstweiligen Verfügung.
Gerichte bewerten solche Fristen unterschiedlich. Oft werden Zeiträume zwischen einem Monat und sechs Wochen noch als angemessen angesehen.
Die gesetzliche Grundlage und Anwendbarkeit der Dringlichkeitsvermutung variiert jedoch je nach Rechtsgebiet:
- Wettbewerbsrecht: Hier greift die Dringlichkeitsvermutung ausdrücklich gemäß § 12 Absatz 2 UWG. Dadurch können einstweilige Verfügungen in der Regel ohne zusätzliche Darlegung von Eilbedürftigkeit beantragt werden.
- Markenrecht: Seit 2019 ist im Markengesetz (§ 140 Abs. 3 MarkenG) ebenfalls eine gesetzliche Dringlichkeitsvermutung verankert. Sie ermöglicht es, einstweilige Verfügungen auch im Bereich des Markenschutzes zu erwirken, ohne die Dringlichkeit gesondert zu begründen. Die Vermutung bleibt jedoch widerlegbar, insbesondere durch Untätigkeit des Antragstellers trotz Kenntnis der Verletzung.
- Designrecht und Urheberrecht: In diesen Rechtsgebieten gibt es keine gesetzliche Dringlichkeitsvermutung. Hier ist es erforderlich, die Eilbedürftigkeit individuell darzulegen und glaubhaft zu machen. Dennoch orientieren sich Gerichte häufig an den in anderen Schutzrechtsbereichen üblichen Fristen und berücksichtigen dabei, ob die behauptete Verletzungshandlung eine fortdauernde Schädigung des Schutzrechtsinhabers verursacht.
Unabhängig vom Rechtsgebiet bleibt es wichtig, die jeweiligen Fristen und Anforderungen genau einzuhalten, um die Dringlichkeitsvermutung nicht zu gefährden.
Besondere Aspekte der einstweiligen Verfügung
In besonders dringlichen Fällen kann eine einstweilige Verfügung auch ohne mündliche Verhandlung erlassen werden, sofern die besondere Dringlichkeit glaubhaft gemacht wird. Eine weitere Besonderheit ist, dass keine Beweise, sondern nur Glaubhaftmachungen erforderlich sind – beispielsweise durch eidesstattliche Versicherungen des Antragstellers. Diese Glaubhaftmachungen sind jedoch im späteren Hauptsacheverfahren nicht ausreichend.
Nach Erlass muss die einstweilige Verfügung über einen Gerichtsvollzieher zugestellt werden, um als vollzogen zu gelten. Wird sie nicht innerhalb eines Monats vollzogen, verliert sie ihre Wirkung. In Zweifelsfällen über den Zustellungsadressaten empfiehlt es sich, mehrere Zustellungswege zu wählen.
Im Unterschied zur strafbewehrten Unterlassungserklärung drohen bei der einstweiligen Verfügung keine Vertragsstrafen. Stattdessen werden Ordnungsmittel angedroht, falls die Verfügung missachtet wird.
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